Filmhistoriker- und kritiker Goswin Dörfler, 1961

Der Nachlass von Goswin Dörfler

Zum Jahreswechsel 2008/09 konnte das Filmmuseum mit Unterstützung der Filmabteilung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur einen umfangreichen Nachlass auf dem Gebiet der Filmdokumentation erwerben. Die über mehr als sechs Jahrzehnte gewachsene Sammlung des im August 2008 verstorbenen Filmhistorikers und -kritikers Goswin M. Dörfler blieb dadurch gesamthaft erhalten. Nach Einschätzung der Archivare und unabhängiger Antiquare stellte sie eine der letzten "freien" Privatsammlungen dieser Größenordnung und histo­rischen Tiefe dar, die noch nicht von öffentlichen Archiven übernommen waren.

 

Der Nachlass besteht u.a. aus 42.000 internationalen Filmfoto­grafien (Stills, Porträts, Produktionsfotos, fast durchwegs vintage prints); 4000 Bänden Filmliteratur in mehreren Sprachen (darunter zahlreiche Erstausgaben der "Klassiker" und persönlich gewidmete Exemplare); Hunderten Mappen mit Filmkritiken aus europäischen Zeitungen (von 1946 bis 2008) und rarem Material zu europäischen Filmfestivals der 1950er bis 70er Jahre; 500 Filmplakaten; 15.000 Filmprogrammen; Hunderten Autografen von Filmschaffenden; und einer Kollektion von 7000 Originalfilmkadern in Form von Dias. Die Sammlung wird durch das Team des Filmmuseums sukzessive aufgearbeitet und steht zu einem großen Teil auch bereits der Öffentlichkeit zur Verfügung – in der Bibliothek und in der Schriftgutsammlung ebenso wie im Zusammenhang von Aus­stellungs-, Publikations- und Forschungsvorhaben.

 

Goswin Dörfler, 1922 in Baden bei Wien geboren und seit 1946 intensiv mit Film befasst, zählte zu jener Generation von Filmhistorikern und -vermittlern, die noch kaum auf einen gesicherten ­Wissensbestand über die Geschichte des Mediums zurückgreifen konnten. Sie mussten sich weite Teile dieser Geschichte selbst erarbeiten, zum Teil durch aufwändige Reisen und internationalen Austausch. Dörfler war einer der wenigen österreichischen Kritiker, die diese internationale Kommunikation suchten, er war nicht nur für Wiener Medien tätig (ORF-Hörfunk, Arbeiterzeitung, Die Furche u.a.), sondern auch für britische und deutsche Filmzeitschriften und Enzyklopädien (z.B. als ständiger Korrespondent des International Film Guide in London).

 

Entsprechend seiner beruflichen Interessenlage ist die Sammlung kein Beispiel für nostalgisch orientierte, unsystematische "Fan-Kollektionen" (die ihre eigenen, wenn auch weniger leicht ersichtlichen Reiz besitzen), sondern das Ergebnis bewusster Schwerpunktsetzungen und Qualitätskriterien, die Dörfler an die Filmgeschichte anlegte. Die Sammlung diente primär der eigenen Arbeit, wurde aber auch für internationale Ausstellungsprojekte – z.B. zum Themenbereich des phantastischen Films – genutzt.

 

Dörflers ungewöhnliche (und ungewöhnlich große) Filmkadersammlung repräsentiert über die ikonografische oder dokumentarische Relevanz hinaus auch einen interessanten Materialbestand zur Erforschung der frühen Filmvermittlung in Österreich: Mit Hilfe dieser "Dias" war Dörfler in der Lage, seine Urania-Vortragsreihen in den 50er und frühen 60er Jahren mit zahlreichen visuellen Beispielen auszustatten – auch dann, wenn (wie sehr oft) Filmkopien der besprochenen Werke unzugänglich blieben. Für das Film­museum steht die "Sammlung Goswin Dörfler" so auch in einem günstigen Verhältnis zu den existierenden Sammlungen, die seit der Gründung des Hauses und vor allem seit Ende der 60er Jahre angelegt wurden – sie bildet eine ideale Ergänzung.