Belle de jour, 1967, Luis Buñuel

Luis Buñuel
Das Gesamtwerk Teil 2

7. März bis 6. April 2008
 

Der zweite Teil der Schau über den Großmeister des spanisch-(und fran­zösisch-)sprachigen Kinos widmet sich Luis Buñuels Spätwerk: von den letzten Filmen, die er in seiner Wahlheimat ­Mexiko drehte – gekrönt von der erhabenen Gesellschaftssatire El ángel ex­ter­minador und der entzückenden Demontage des Säulenheiligen Simón del desierto -, bis hin zu jenen französischen Klassikern, mit denen er seine Karriere als gefeierter Altmeister ausklingen ließ: Le Journal d’une femme de chambre (1964), Belle de jour (1967), Le Charme discret de la bourgeoisie (1972) oder Le Fantôme de la liberté (1974). Das "Gespenst der Freiheit" begleitete ihn bis ans Lebensende, so wie die Vorliebe für schwarzen Humor, Amour fou und die rebellische Kraft des Surrealismus. Noch im sehr eleganten Abschiedsfilm Cet obscur objet du désir (1977) kommt durch die en passant eingestreuten Terroranschläge Buñuels spezifische Wachheit zum Ausdruck: das genaue Gespür für die psychosozialen und politischen Tiefenströmungen einer Ära.

Diese Beiläufigkeit seiner Ideen und die bewusste Einfachheit seines Stils ("ich verabscheue die Technik") ermöglichten es Buñuel schon früh, als "Auftragsregisseur" in der mexikanischen Filmindus­trie erstaunlich abgründige Werke voller Wendungen und Rätsel zu produzieren. Z.B. das Dschungel-Abenteuer La Mort en ce jardin (1956): Entworfen als eskapistisches Entertainment, belastet von unzufriedenen Stars und Interventionen des Produzenten, wurde der Film zu einem Musterbeispiel subversiven Kinos. Die einprägsame Verschränkung von Genre-Extravaganz und surrealistischer Vision macht ihn fortschreitend kurioser und geheimnisvoller – ganz im Sinn der Definition, die sein späterer Koautor Jean-Claude Carrière über Buñuels Kino gab: "Er wollte, dass seine Filme die Kraft des Seltsamen haben, ohne selbst seltsam zu sein."

 
Parallel zu solch exzentrischen Großtaten realisierte Buñuel in Mexiko auch Filme mit offenerer Thematik, die von der Kritik weit besser rezipiert wurden: Nazarín (1959), die Studie eines scheiternden Priesters, oder das erotische Inseldrama The Young One (1960), das wie eine philosophische und persönliche Antwort auf Jean Renoirs US-Film The Southerner (1946) wirkt. Nach diesen Höhepunkten führte Buñuels kurzfristige Rückkehr nach Spanien zu einem weiteren Einschnitt in seiner Karriere: Viridiana (1961), die sarkastische Passionsgeschichte über eine Novizin, die für ihre Menschlichkeit nur Demütigung erntet, wurde vom Franco-Regime verboten, in Cannes jedoch mit der Goldene Palme ausgezeichnet. Von da an konnte er in völliger künstlerischer Autonomie, im vergleichsweise geschützten Raum der französischen Kunstfilmproduktion tätig sein – mit der (für ihn sehr typischen) Zusatz-Ironie, dass er seine leichtfüßigen, spöttischen Attacken aufs Bürgertum nun primär für eben dieses produzierte.

Die letzten 15 Jahre von Buñuels Schaffen stehen im Zeichen ­einer nahezu systematischen, im vieldeutigen Detail aber wieder ungreifbaren satirischen Auseinandersetzung mit den Grundpfeilern der Gesellschaft. Unter den Spielregeln von Politik, Religion, Sex und Macht legte er ein Netzwerk von Perversion und Obsession, Fetischen und Korruption frei, genüsslich dargebracht im Idiom gepflegter Anarchie. Auch das Image seiner Starschauspieler blieb dabei nicht verschont. Als er Catherine Deneuve – nach ihrer ikonischen Rolle als frigide, masochistische Bürgersfrau in Belle de jour – erneut für Tristana (1970) engagierte, gab er zu Protokoll: "Deneuve ist nicht unbedingt mein Frauentyp. Aber mit nur einem Bein und geschminkt finde ich sie sehr attraktiv."

Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Berlinale und der Deutschen Kinemathek.

Zum Auftakt des zweiten Teils der Retrospektive zeigt das Filmmuseum Jean Epsteins Meister­werk nach Edgar Allan Poe,
La Chute de la maison Usher (1928), bei dem sich Buñuel als Regieassistent seine ersten Sporen verdiente. An diesem Abend wird auch der neue Band der FilmmuseumSynemaPublikationen präsentiert: Jean Epstein. Bonjour Cinéma und andere Schriften zum Kino (Hg. Nicole Brenez und Ralph Eue)  die literarischen Reflexionen eines großen Kinophilosophen.

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