2001: A Space Odyssey

Science : Fiction
Eine Geschichte der Zukunft

9. Februar bis 10. März 2011
 
Science-Fiction hat kein leichtes Los. Als uneheliches Kind dreier Eltern (Erzählkunst, Naturwissenschaft, Gesellschaftsphilosophie) soll sie die umstrittensten menschlichen Vorstellungen ins Bild setzen (parallele Welten, die Zukunft) und dabei glaubwürdig zwei Begriffe tanzen lassen, die schon in der Gegenwart niemand wirklich versteht (Raum, Zeit). Dementsprechend schwierig ist es, die Grenzen der Gattung zu bestimmen: Science-Fiction dehnt sich oft bis zur Fantasy aus, nimmt Motive des Horrorgenres auf oder passt sich der Gestalt des realistischen Dramas an. Sie transformiert sich beständig, um neuen Zeiten und deren Geist gerecht zu werden – nicht nur in Bezug auf den technologischen Wandel.

 
Entlang von 50 Filmen aus den Jahren 1946 bis 2008 zeichnet die vorliegende Auswahl die Entwicklung des modernen Science-Fiction-Kinos nach – seine internationale Vielfalt, seine Mutationen, subversiven Varianten und bahnbrechenden Visionen. Die Spannweite reicht von stilbildenden Werken wie 2001: A Space Odyssey und Soljaris zu vergessenen Klassikern wie Karel Zemans definitiver Jules-Verne-Interpretation Die Erfindung des Verderbens; von philo­sophischen B-Pictures wie The Incredible Shrinking Man bis in Blockbuster-Regionen (am Beispiel der hinterhältigen Satire ­Star­ship Troopers); von Kino-Revitalisierungen aus dem Geist der Sixties (Seconds, Alphaville) zu ungewöhnlichen Literatur-Adaptionen wie Aleksandr Sokurovs Strugatzki-Film Tage der Finsternis. Avantgardistische Kurzfilme, Essays und gefälschte Filmdokumente finden sich ebenso wie jüngere Sci-Fi-Produktionen, die abseits von Holly­wood neue Ansätze zu aktuellen Fortschrittsthemen bieten, zum Beispiel den Herausforderungen der virtuellen Welt in Demonlover von ­Olivier Assayas. 
 
Die Schau setzt nach dem Zweiten Weltkrieg ein, als der Begriff „Science-Fiction“ überhaupt erst populär und eine stärkere Abgrenzung im Feld des Phantastischen und Utopischen notwendig wurde. Dieser Zeitpunkt markiert eine entscheidende Neuorientierung des Genres, das nun (nach dem Verfall während der Kriegsjahre) einer „Goldenen Ära“ entgegensah. Unter dem Eindruck von Weltkrieg und Atombombe sowie der Anfänge des Kalten Kriegs, dessen Rüstungs- und Weltraum-Wettlauf viel Stoff für die folgenden Dekaden liefern sollte, betrachtete man die technische Entwicklung und ihre ethischen Konsequenzen mit neuen Augen.
 
Zwei der frühesten Beispiele befassen sich prototypisch mit der Verantwortung des Wissenschaftlers angesichts einer durchschlagenden Erfindung, die Machtinteressen auf den Plan ruft: der tschechische Film Krakatit (1947, nach einem Roman von Karel Čapek) und die britische Satire The Man in the White Suit (1951). Die Frage nach den Auswirkungen des Fortschritts auf den Menschen und seine Moralität bleibt ein Schlüsselthema der Retrospektive – bis hin zum Kernfusions-Kaleidoskop God’s Puzzle (2008) von Miike Takashi.
 
Destination Moon (1950, Co-Autor: Robert A. Heinlein) schuf indessen die Grundlage für die „Space Operas“ über Reisen ins All: Basis für viele spätere US-Eroberungs-fantasien wie auch für das Streben nach wissenschaftlich-technischer Authentizität, das mit 2001 einen neuen Maßstab erhalten sollte. Ein halbes Jahrhundert später stellt Starship Troopers, erneut nach einer Heinlein-Vorlage, die reaktionäre Stoßrichtung der Space Opera vollends auf den Kopf. Vergleichbare Linien lassen sich entlang vieler Topoi ziehen – z.B. die Invasion durch Außerirdische als „pazifistisches“ Angebot in The Day the Earth Stood Still (1951) und Starman (1984) oder als Bedrohung in Invasion of the Body Snatchers (1956) und dem Anti-Reagan-Actionfilm They Live (1988). Letzterer schließt auch an beunruhigende Bilder einer „regulierten“ Gesellschaft an – ob als Glasarchitektur-Niemandsland in Alphaville, als Alptraum der Büchervernichtung in Fahrenheit 451 (nach Ray Bradbury), als Biodesaster im David-Cronenberg-Frühwerk Crimes of the Future, als Neo-Noir-Hybrid in Blade Runner oder als Drogentrip in A Scanner Darkly (die letzteren beiden nach Philip K. Dick).
 
Mehr noch als literarische Einflüsse hinterlassen Trendthemen und die Design-Innovationen der visuellen Künste ihre Spuren im Genre: die Atom-Angst der Sechziger in kühlem Modernismus (The Damned) oder als Cinéma-Vérité-Schocker (The War Game); Pop und Psychedelik zwischen Italien (La decima vittima) und USA (Fantastic Voyage); der desillusioniert-kritische Grundton im populären Kino der Siebziger (The Terminal Man); die Aneignung von „Cyberpunk“ (The Terminator) oder Comics-Ikonografie (RoboCop) in den 80er Jahren – und schließlich das Abwandern relevanter Entwürfe in „unabhängige“ Randzonen oder Regionen wie Asien, die oft von anderen Einflüssen gespeist sind.
 
Wie ein exemplarisches Double Feature aus Chris Markers genialer Zeitreise-Miniatur La Jetée und Terry Gilliams Groß-Remake Twelve Monkeys demonstriert, liefern die sich wandelnden Moden, Motive und Modelle nur Spiegelformen und Allegorien für die eigentliche Science-Fiction-Erzählung. Ob in fantastischen Bildern der Zukunft, des Weltraums oder einer anderen Identität – letztlich sucht der Mensch darin stets nach Erkenntnissen über die Gegenwart, den Raum der Gesellschaft und vor allem: sich selbst.
 
Die Retrospektive wird ergänzt durch Künstlergespräche mit Natal’ja Bondarčuk, Hauptdarstellerin von "Soljaris", Deimantas Narkevičius und Michael Palm sowie durch Einführungen von Hans Langsteiner, eine Doppel-Conférence von Barbara Wurm und Olaf Möller und ­einen Vortrag von Christoph Huber, Filmkritiker („Die Presse“) und Co-Kurator der Schau. 
Zusätzliche Materialien