eXistenZ, 1999, David Cronenberg

David Cronenberg

31. Jänner bis 21. Februar 2003
 
Zum sechzigsten Geburtstag des kanadischen Regisseurs, Autors und bildenden Künstlers David Cronenberg veranstaltet das Filmmuseum die bislang umfangreichste Retrospektive seiner Werke in Europa. Neben sämtlichen Filmen – inklusive der Premiere seines jüngsten Werks Spider mit Ralph Fiennes – sind auch Cronenbergs vielfältige Arbeiten für das kanadische Fernsehen zu sehen.
 
Das scharfsichtige und vitale Schaffen Cronenbergs wurde von der gehobenen Kritik lange Zeit verkannt und gedankenlos dem „Schundfilm“ zugeschlagen. Tatsächlich aber findet sich unter den Meistern des populären Kinos kaum einer, dessen Blick auf unsere Zivilisation so konsequent erarbeitet und so einflussreich geworden ist wie jener David Cronenbergs.
 
Von seinen Anfängen als experimenteller, naturwissenschaftlich interessierter Filmautor Ende der 60er Jahre über seine verstörenden Horror- und Science-Fiction-Erfindungen (Shivers, Scanners, Videodrome) bis hin zu grandiosen Literaturbearbeitungen wie The Dead Zone oder M. Butterfly hat Cronenberg schrittweise einen unverwechselbaren Raum für sein Kino geschaffen: „Ein wahres Original, das sich jenseits aller Kategorien bewegt.“ Dieser hellsichtigen Charakterisierung des Langfilmdebüts Stereo (1969) durch einen britischen Underground-Kritiker ist 34 Jahre später wenig hinzuzufügen.
 
Cronenbergs zentrales Thema ist das Verhältnis von Körper und Geist unter den verschärften Bedingungen der Medien- und Kontrollgesellschaft. Seine melancholischen Helden verfügen nicht mehr über eine fest umrissene Identität, ihre Gedanken, Gliedmaßen und Begierden verschmelzen auf vielfältige Weise mit einer bedrohlich-verführerischen Außenwelt: mit Medien, Fahrzeugen, Hochhäusern, nichtmenschlichen Energieströmen oder tierähnlichen Wesen. „Long live the New Flesh“ – so lautet einer der berühmtesten Cronenberg-Sätze (aus Videodrome, 1982).
 
Der Naturwissenschaftler und body artist Dr. Frankenstein, Ikone der romantischen Horrorliteratur, spielt im Labor des Dr. Cronenberg wohl eine prominente Vorbildrolle. In der Literatur des 20. Jahrhunderts finden sich weitere „Vorfahren“ wie William S. Burroughs oder James G. Ballard, mit denen der Regisseur in den 90er Jahren – bei Naked Lunch und Crash – aktiv zusammengearbeitet hat. Sein „Kino wider die Tabus“ ist den posthumanistischen Visionen dieser Autoren zutiefst verwandt.
 
In der Verbindung von unmittelbar wirksamen Bildschocks und subtiler Melodramatik, von analytischer Kälte und tiefer Melancholie, ist David Cronenbergs Werk längst jenseits der Trennlinie von U- und E-Kultur angelangt. Sein Meisterstück Dead Ringers (1988, mit Jeremy Irons) ist dafür der gültigste Beleg. Und Crash, der 1996 noch die britische Zensur auf den Plan rief, wurde schon wenige Jahre später vom British Film Institute in die schmale Reihe von „Modern Classics“ aufgenommen.
 
„Cronenberg ist zwanzigstes Jahrhundert. Spätes zwanzigstes Jahrhundert. Cronenberg ist etwas, über das wir keine Kontrolle haben – in dem Sinn, daß wir keine Kontrolle über unsere bevorstehende Zerstörung haben. Das wird in seinem Werk so ungemein klar. So furchterregend, so beunruhigend klar.“ (Martin Scorsese)
 
Die Retrospektive findet mit großzügiger Unterstützung der Kanadischen Botschaft in Österreich statt.