Sogni d'oro, 1981, Nanni Moretti

Nanni Moretti

11. Januar bis 2. Februar 2006
 
Nanni Moretti, 1953 in Südtirol geboren, etablierte sich früh als der bedeutendste italienische Filmemacher seiner Generation: Als 20jähriger begann er mit der Produktion von kurzen Super-8-Komödien, denen – nach frustrierenden Erfahrungen mit der herkömmlichen Produktion – das programmatisch betitelte Langfilmdebüt Io sono un autarchico (1976) folgte.
 
Mit diesem Werk und mit seiner Rolle in Padre padrone von Paolo und Vittorio Taviani wurde er schlagartig zum "Star" einer neuen Kinokultur. Autark sind seine Filme, sein Humor und seine Haltung bis heute geblieben, von Ecce bombo (1978), einer Art Post-68er-Antwort auf Fellinis I vitelloni, bis zum Welterfolg La stanza del figlio (2001), dessen klassisch-dramatische Erzählform eine Ausnahmestellung in Morettis Kino einnimmt. Seine Werke sind "Interventionen" – persönliche und politische Bestandsaufnahmen Italiens, häufig dargebracht als Serie knapper, beißend komischer Vignetten.
 
Das Nahverhältnis von Kino, Biografie und Politik zieht sich durch Morettis gesamte Laufbahn, nicht nur in Form seines Kino-Alter-egos Michele Apicella, dessen Geschichte er in mehreren Filmen am eigenen Leib weiterschreibt. Moretti fungiert auch als wesentliche kritische Stimme im öffentlichen Diskurs Italiens und fördert nebenbei die alternative Filmkultur: Er betreibt in Rom das Kino Nuovo Sacher und unterstützt junge Regisseure, indem er sich als Hauptdarsteller und Produzent zur Verfügung stellt – wie z.B. bei La portaborse von Daniele Luchetti oder La seconda volta von Mimmo Calopresti.
 
Schon während der Schulzeit begann Moretti eine Wasserball-Karriere, die ihn bis in die italienische A-Liga führte. Zugleich wurde er zum leidenschaftlichen "Kinotier" – der Legende nach tauschte er seine Briefmarkensammlung gegen eine Super-8-Kamera ein. Der unerwartete Erfolg seines ersten Langfilms ermöglichte den Umstieg auf 35mm, doch an der sehr direkten Ästhetik seines Kinos änderte sich damit ebenso wenig wie an der Thematik seiner Arbeiten: Das Generationenporträt Ecce bombo beschreibt die Desillusionierung der Linken in den 1970er Jahren und den verzweifelten Idealismus des Helden im Kampf gegen eine zunehmend gleichgeschaltete Gesellschaft.
 
Der frustrierte Regisseur in Sogni d'oro (1981), der pedantische Lehrer in Bianca (1984) und der zweifelnde Priester in La messa è finita (1985) sind vollendete tragikomische Kreationen, deren Neurosen Morettis eigenen verblüffend ähneln.
 
End- und Höhepunkt dieser ersten Werkphase ist Palombella rossa (1989) – Moretti verschärft seine episodische Erzählweise und greift all seine persönlichen Obsessionen auf: Der KP-Funktionär Michele verliert sein Gedächtnis; im Verlauf eines Wasserballspiels (mit Dr. Schiwago im Hintergrund) versucht er sich selbst "wiederzufinden". Der dokumentarische Partnerfilm dazu heißt La cosa: Moretti verfolgt die heftige Identitätsdebatte innerhalb der Kommunistischen Partei Ende der 80er Jahre.
 
Hier deutet sich schon das Tagebuchformat seiner nächsten Arbeiten an. In Caro diario (1993) und Aprile (1998) verknüpft er stärker denn je Autobiografie und gesellschaftliche Gegenwart, Leben und Kino. Die Auseinandersetzung mit seinem "Widersacher" Silvio Berlusconi, die Aprile deutlich prägt, hat auch zu Morettis längerer Kino-Absenz beigetragen: Nach La stanza del figlio stellte er zwei Kurzfilme vor, engagierte sich aber vor allem politisch. Parallel dazu entwickelte er den Langfilm Il caimano, bei dem er erstmals nicht selbst vor der Kamera stehen wird und der noch 2006 herauskommen soll: ein "Sittengemälde Italiens unter Berlusconi".
 
Die Retrospektive findet mit großzügiger Unterstützung des Italienischen Kulturinstituts in Wien statt.