Guru Dutt in

Guru Dutt

20. Januar bis 3. Februar 2006
 
Der indische Filmregisseur, Schauspieler, Produzent und Choreograph Guru Dutt starb am 10. Oktober 1964 nach seinem fünften Selbstmordversuch. Sein Werk, entstanden in einem Zeitraum von wenig mehr als zehn Jahren, ist schmal geblieben, doch es markiert eine der wichtigsten Positionen in der asiatischen Filmgeschichte. Das Filmmuseum zeigt Dutts Schaffen nun erstmals in Österreich.
 
1947, als Guru Dutt nach Bombay geht, um in der Filmindustrie Karriere zu machen, entsteht Indien als unabhängiger Staat in seiner heutigen politischen Form. Indien ist eine junge Nation. Aber auf dem Territorium dieser Nation gibt es zu diesem Zeitpunkt schon eine langjährige und umfangreiche Geschichte des Films. Kino ist in Indien das Massenmedium schlechthin und rangiert in seiner Bedeutung weit über dem Radio und den Printmedien.
 
Guru Dutts Zeitgenossen (allen voran Bimal Roy, Mehboob Khan und Raj Kapoor) repräsentieren das Selbstverständnis dieser jungen Nation im sozialen Melodrama. Sie verbinden Elemente der indischen Mythologie, Handlungs- und Stilelemente des amerikanischen und europäischen Kinos und soziale Botschaften, die stark klischeehafte Gesellschaftsbilder prägen.
 
Guru Dutt lehnt diese sozialen Klischees ab und formt sie um zu einer melancholischen, pessimistischen Darstellung des Individuums und der gesellschaftlichen Ausgrenzung. Darüber hinaus fokussiert er den Blick auf eine genuin filmische Erzählweise und auf die zeitgenössische Bilderwelt. Die mythologische Ikonographie tritt in den Hintergrund.
 
Guru Dutts Muttersprache ist Konkani, aber er spricht fließend Englisch, Hindi und Bengali. Mit der Musik und Literatur Bengalens ist er auf besondere Weise verbunden, doch im Gegensatz zu vielen bengalischen Filmemachern seiner Zeit lehnt er die Formen des kommerziellen Kinos keineswegs ab. Er beharrt vor allem auf der Musik und der Choreographie, gibt dem Unterhaltungskino aber eine neue Dynamik, die viele spätere Filmemacher beeinflusst. Dies gilt vor allem für den Einsatz der Songs und die Kameratechnik. Dialekt und Soziolekt fließen in die Dialoge ein; die Sprache wird lebendiger und realistischer.
 
In seinen wichtigsten Filmen ist Guru Dutt auch der Hauptdarsteller. Er spielt einen Karikaturisten (Mr & Mrs 55), einen Dichter (Pyaasa / Der Durstende, 1957) und einen Regisseur (Kaagaz ke Phool / Papierblumen, 1959) – und immer werden diese Figuren gesellschaftlich angefeindet.
 
Sie sind vom Misserfolg gezeichnet, verbittert und untrennbar mit der Darstellung durch Dutt selbst verbunden. In den letzten vier Jahren seines Lebens gibt er die Regiearbeit auf und überlässt sie Mohammed Sadiq und Abrar Alvi. Er bleibt Produzent und Schauspieler; in letzterem Metier ist er nach dem Kassenschlager Chaudhvin ka Chand (Vollmond, 1960) am erfolgreichsten.
 
Das melancholische Grundbild der Filme von Guru Dutt ist geprägt von jenem Einzelgängertum, das er auch als Filmkünstler praktizierte. Seine Meisterwerke entspringen der völligen Hingabe an die Arbeit und der Beteiligung an jedem Aspekt der Produktion: Bei Drehbuch und Dialog, in der Choreographie, der Kameraführung, aber auch in organisatorischen Angelegenheiten ist Dutt täglich von morgens bis tief in die Nacht tätig.
 
Seine Ehe mit der Playbacksängerin Geeta Roy, die einen Großteil der Songs in seinen Filmen übernimmt, ist nur zu Beginn glücklich: Dutt ist Alkoholiker und wird von schweren Depressionen geplagt. Im Alter von 39 Jahren beendet er sein Leben.
 
Die Retrospektive zeigt sieben der acht Regiearbeiten von Guru Dutt sowie zwei Filme, deren Konzeption und Realisierung durch seine Rolle als Produzent und Hauptdarsteller ganz zentral von ihm getragen wurde. Ergänzend dazu präsentiert das Filmmuseum In Search of Guru Dutt (1989) von Nasreen Munni Kabir.
 
Daniel Wisser, Berater dieses Projekts und ein präziser Kenner des indischen Kinos, wird im Rahmen der Schau eine Lecture über Guru Dutt halten. Die Retrospektive findet mit großzügiger Unterstützung der Indischen Botschaft in Wien statt.