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Michael Pilz

14. bis 30. November 2008

Michael Pilz ist eine der herausragenden Erscheinungen des modernen Kinos - und eines seiner größten Geheimnisse, ist er doch eigentlich ein Unbekannter, Ungesehener geblieben. Von den etwa 100 Werken, die der gebürtige Niederösterreicher seit Anfang der 1960er Jahre realisiert hat, sind nur zwei, Himmel und Erde und Feldberg, regulär in die österreichischen Kinos gekommen. Eine weitere Handvoll, darunter Franz Grimus, Bridge to Monticello und Indian Diary, kann man als öffentlich rezipiert, wenn auch nicht wirklich geläufig betrachten.
 

Im Fall von Pilz wird besonders gut sichtbar, wie abhängig die Wahrnehmung eines Künstlers von seinem Verhältnis zur gewöhnlichen Logik der Filmproduktion und -distribution ist: Lässt man diese hinter sich, überschreitet man die Grenzen, riskiert man Marginalisierung. Außer bei Festivals und sporadischen Präsentationen im Kino oder im Kunstkontext sind die Filme von Michael Pilz kaum zu sehen. Andererseits erlangt man jenseits der Grenzen eine ganz bestimmte Art von Freiheit, die notwendig ist, wenn man wie Pilz seine Kunst vor allem als Prozess, als Akt der Selbstschöpfung empfindet - wie erratisch, voller Sackgassen, Sprünge und Sinneswandel dieses Werden auch sein mag. Entsprechend vielgestaltig ist sein Schaffen: Dokumentar-, Spiel-, Lehr-, Experimental-, Reise-, Tagebuchfilm, ­alles findet seinen Platz.
 

Seine ersten Filmversuche realisiert Michael Pilz Mitte der 50er Jahre mit der Kamera seines Vaters; das erste „offizielle“ Werk stammt von 1964, seiner Zeit an der Wiener Filmakademie. Pilz sucht in jenen Jahren seinen Weg ins Kino, alles scheint möglich, der Burgenland-Beat von Unter Freunden (1966) genauso wie ein spielerisch-avanciertes Euro-Genrekino, das er in Wladimir Nixon (1971) einübt. Das Gros der 1970er Jahre verbringt er beim ORF, ohne dort einen Platz für sich zu finden, auch wenn dabei mit Franz ­Grimus und Die Generalin (beide 1977) frühe Hauptwerke ­ent­­stehen. Sein erster vollendeter Versuch, einen Kinospielfilm zu realisieren, ist die Gemeinschaftsarbeit Langsamer Sommer (1974-76) – ein eigenwilliges Meisterwerk unter der Regie von John Cook.
 

Der Durchbruch gelingt ihm mit einem wahren „Zentralmassiv“ des Weltkinos: Himmel und Erde (1979-82). Dieser epische Film über das steirische Bergdorf St. Anna macht Pilz plötzlich zu einem möglichen Zentrum des österreichischen Filmschaffens, das in diesen Jahren seine Filmförderung bekommt. Feldberg (1987-90), sein zweiter großer Kinofilm, ist dann genau jenen Förderstrukturen ein Dorn im Auge. So kündigt Pilz seinen ­Vertrag mit der offiziellen Produktionswelt. Er hat mit ein Kino der gestalteten Zeit kristallisiert; nun kann ein anderes kommen, auf Video: das der verfließenden Zeit.
 

Seine Œuvre ist in den letzten zwei Dekaden ständig im Wandel. Frühes, verschüttetes Material wird wieder aufgegriffen und in die „Biofilmografie“ integriert. Manchmal ergeben sich verschiedene Werke aus ein und demselben Sujet – wie etwa bei seinen Arbeitsporträts des Bildhauers Karl Prantl und des amerikanischen Theatermachers Jack Garfein. In anderen Fällen lässt Pilz seinen Film einfach heranreifen – er wartet, bis dessen Zeit gekommen ist. Solch ein vielsagender Fall ist 28 April, 1995 Aus Liebe/For Love: Obwohl Brigitte Schwaigers Erinnerung an ihre Ehe mit einem ­Angehörigen des Franco-Militärs 1995 aufgenommen wurde, wird der Film aus lebenseigenen Gründen erst neun Jahres päter fertig und erst 13 Jahre später öffentlich zugänglich. Er erlebt seine Uraufführung im Rahmen dieser Retrospektive, ebenso wie Pilz’ neues­tes Werk Yemen Travelogue – Days at Shibam und Gabriele Hochleitners Pilz-Porträt For Some Friends.
 

Anlässlich der Schau erscheint das erste Buch über Michael Pilz und sein Werk, herausgegeben von Olaf Möller und Michael Omasta (Band 10 der FilmmuseumSynemaPublikationen).
 

Die Retrospektive finde in Kooperation mit dok.at statt.
Zusätzliche Materialien