Models, 1999, Ulrich Seidl

Ulrich Seidl

10. bis 31. Jänner 2002
 
Ulrich Seidl, Exil-Waldviertler in Wien, ist Anfang der 80er Jahre bekannt geworden, mit einem vieldiskutierten Film über den Maturaball in seiner Heimatstadt Horn (Der Ball). Daß er sich nach dieser Heimat "verzehrt", wird man nicht behaupten können; sehr wohl aber, daß ihn die Rede- und Lebensweisen der "gemeinen Menschen" in der Stadt wie auf dem Land in hohem Ausmaß beschäftigen und faszinieren. So sehr, daß er zu ihrer Darstellung einen völlig eigenständigen, kaum verwechselbaren Inszenierungsstil entwickelt hat.

 

In Arbeiten wie Good News, Mit Verlust ist zu rechnen, Tierische Liebe oder Models gerät die traditionelle Vorstellung von Dokumentarfilm eindeutig an ihre Grenzen: Seidl reagiert mit insistierenden Bildkonstruktionen auf die komischen oder schrecklichen Lebenskonstruktionen seiner (aller) Helden und Heldinnen. Mit Hundstage, seinem bisherigen Meisterstück, infiziert dieser Zugang nun auch die Welt der Fiktion – und macht zugleich deutlich, wie unsinnig die alte Spaltung des Kinos in "Authentisches" und "Erfundenes" ist: die beiden Hälften sind nur als Ganzes zu haben. Es ist Seidls Verdienst, die Debatte um diese Begriffe erweitert zu haben, zuerst in Österreich, dann auch auf internationaler Ebene.
 
Wir präsentieren sämtliche Kino-Arbeiten Ulrich Seidls, von seinen frühen Filmen Einsvierzig (1980), Der Ball (1982) und dem Fragment Look 84 (1984) bis zum internationalen Erfolg Hundstage (2001), den der Regisseur selbst am 17. Jänner, vor dem Kinostart, im Rahmen eines Gesprächsabends im Filmmuseum vorstellen wird.

 
Stroheim / Seidl
 
Die Geschichte und die Gegenwart des Kinos sind umso reicher, je mehr sie voneinander wissen. Zusammen gesehen ergeben sie mehr als 1 + 1. Der Vorschlag, Erich von Stroheim und Ulrich Seidl in einem Monatsprogramm aneinanderzurücken, beruht auf dieser Erfahrung.
 
Beide, Stroheim und Seidl, sind Wirklichkeitssüchtige, und von beiden heißt es manchmal, sie seien "gnadenlos". Was André Bazin über den einen schrieb, könnte auch für den anderen gelten: "Bei ihm gesteht die Realität wie der Verdächtige in der unermüdlichen Befragung durch den Kommissar. Das Prinzip seiner Regie ist einfach: die Welt so nah und so eindringlich zu betrachten, dass sie schließlich ihre Grausamkeit und ihre Häßlichkeit enthüllt."
 
Im gleichen Atemzug möchte man bei Bazin nachhaken: Enthüllt sich unter solch einem Kamerablick nicht auch die verzweifelte, schiefe Utopie im Leben der gemeinen Menschen? Ist nicht die Realität gerade im schmerzhaften Moment ihres "vollen Geständnisses" wieder bereit für neue Eingriffe und Ausblicke? (A.H.)
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