Rebel Without a Cause, 1955, Nicholas Ray

Nicholas Ray
Das Gesamtwerk

31. Jänner bis 29. Februar 2004
 
„Le cinéma, c’est Nicholas Ray.“ (Jean-Luc Godard)
 

Nicholas Ray, einer der großen Individualisten des klassischen Hollywoodkinos, Regisseur von Filmen wie Rebel Without a Cause, Johnny Guitar oder In a Lonely Place, wird erstmals in Österreich mit einer Gesamtretrospektive gewürdigt.
 
Sein packend zeitgenössisches, lyrisches und zutiefst persönliches Werk erscheint im Kontext des arbeitsteiligen Studiosystems als äußerst ungewöhnlich. Daraus leitet sich auch seine Vorbildfunktion für folgende Generationen ab. Rays unbedingter Glaube an die Besonderheit des kinematografischen Ausdrucks und die starke Handschrift, mit der er seine Projekte trotz zahlreicher Widerstände ausstattete, machten ihn zu einer Zentralfigur der „Autorenpolitik“: Für die jungen Rebellen der Nouvelle Vague, des Neuen Deutschen Films und der New-Hollywood-Ära zählte er zu den wichtigsten Regisseuren der Kinogeschichte.
 
Nicholas Ray, 1911 als Sohn deutschstämmiger Einwanderer in Wisconsin geboren, kam spät zum Film. Als Teenager gestaltete er Radioprogramme, studierte in Chicago bei Thornton Wilder und erhielt 1933 ein Architekturstipendium bei Frank Lloyd Wright. Obwohl er sich nur wenige Monate in dessen Taliesin-Workshop aufhielt, ist der Einfluss Wrights in Rays späteren CinemaScope-Räumen und in seiner Landschafts-konzeption abzulesen – von kalifornischen Resopalwüsten (z.B. in Rebel Without a Cause) bis zu den mystischen Eiswelten des Eskimodramas The Savage Innocents.

 
1934 etablierte sich Ray in der linken Bohème des New Yorker Greenwich Village. Er wurde Mitglied des kommunistischen Theatre of Action, lernte Bertolt Brecht und Elia Kazan kennen und arbeitete ab 1935 in unterschiedlichen Funktionen für die staatlichen Kultur- und Medienprogramme der Roosevelt-Ära: im Theaterbereich, als reisender

Folk-Music-Forscher und – vor allem während des Weltkriegs – beim Radio (The Voice of America). Sein dortiger Vorgesetzter, der renommierte Regisseur und Produzent John Houseman, war nach Kriegsende Rays „ticket to Hollywood“.
 
Schon an seinem Filmdebüt, dem schwarzen Road Movie They Live by Night (1948), sind Rays wesentliche Vorlieben deutlich zu erkennen: der romantische Fatalismus, die Vorliebe für jugendliche, entfremdete Protagonisten und für die Kultur der Outlaws, seine außerordentliche Begabung zur Schauspielerführung sowie eine ungewöhnlich stilisierte Mise en scène.
 
Mit den folgenden Meisterwerken verfeinert er seinen umfassenden Kommentar zum „amerikanischen Traum“. Die Genres wechseln, doch die emotionale Heftigkeit und Rays widerborstig ernsthafte Gestaltung zerrissener Helden bleiben bestehen. Zunächst in kühlem Schwarzweiss: In a Lonely Place - eine unverhohlen autobiografische Hollywood-Kritik mit Humphrey Bogart und Rays Ex-Frau Gloria Grahame; On Dangerous Ground – eine Studie über männliche Gewalt und verlorene Unschuld; The Lusty Men – ein melancholisches Rodeo-Drama mit Robert Mitchum. Und dann in flammenden Farben – expressive Western wie The True Story of Jesse James und Johnny Guitar (Rays verschlüsselte Abrechnung mit der McCarthy-Ära), düstere Familienmelodramen wie Bigger Than Life oder eine ganz und gar verrückte Liebesgeschichte unter Gangstern: Party Girl, Rays schönster Film in den Augen der cinephilen Nachwelt.
  

Ende der 50er Jahre werden Rays Arbeiten immer ambitionierter, sein Alkoholismus immer bedrückender und das Verhältnis zu den Hollywood-Studios immer konfliktreicher. Drei seiner besten Filme – Bitter Victory, Wind Across the Everglades und The Savage Innocents – sind nahezu kosmische Parabeln, die bereits mehr mit Europa als mit Hollywood kommunizieren. Selbst das bemerkenswerte Jesus-Epos King of Kings (1961) vermag an Rays vorläufigem Karriere-Ende in der Filmindustrie nichts mehr zu ändern. Sein Wahlspruch lautete zeitlebens: „I’m a stranger here myself.“
 
Erst zehn Jahre später entsteht ein weiterer Film, den Ray gemeinsam mit seinen Studenten am Harpur College realisiert. Politisch radikal, experimentell und bewusst unabgeschlossen, ist dieser Filmessay mit einem Titel ausgestattet, der wie die Summe aus Lebens- und Arbeitserfahrung wirkt: We Can’t Go Home Again (1973-76). Von ähnlicher Radikalität ist auch sein letztes Werk Lightning Over Water (1980), mitkonzipiert und nach Rays Tod fertiggestellt von Wim Wenders – eine schrecklich-schöne, „unmögliche“ Doku-Fiktion, mit der Nicholas Ray seine Vorstellung vom Kino, seinen körperlichen Verfall und schließlich sein eigenes Sterben reflektiert.
 
Neben sämtlichen Kinoarbeiten präsentiert die Retrospektive des Filmmuseums auch Rays Auftritt in Wim Wenders’ „Der amerikanische Freund“, das dokumentarische Porträt „I’m a Stranger Here Myself“ und Raritäten wie den Fernsehfilm „High Green Wall“, den Ray mit dem österreichischen Emigranten Franz Planer an der Kamera realisierte. Dieses Projekt findet in Zusammenarbeit mit dem National Film Theatre London sowie mit großzügiger Unterstützung der Public Affairs Section der US Embassy in Wien statt.