Ironie della vita [Fragment]

Regie: Mario Roncoroni; Buch: Gian Paolo Rosmino; Darsteller: Italia Almirante-Manzini, Gian Paolo Rosmino; IT 1917; s/w (viragiert), stumm, 133m (Originallänge: 1371m), ca. 8 min

Digitale Restaurierung (2K) auf Grundlage einer viragierten 35mm-Nitrokopie
 

 

Zur Restaurierung: Das italienische Liebesdrama Ironie della vita (Die Ironien des Lebens), produziert am Höhepunkt des ersten Weltkriegs, gilt als verschollen. Erhalten ist nur ein kurzes Fragment mit französischen Blitztiteln, das in der Sammlung des Filmmuseums aufbewahrt wird. Die Sicherung und Restaurierung dieses Fragments erfolgte im Jahr 2013. Das viragierte 35mm-Positivmaterial auf Nitrozellulose-Film wurde in 2K-Auflösung gescannt und anschließend digital restauriert. Ziel der Restaurierung war es, das Fragment in seinem erhaltenen Zustand zu konservieren. Daher wurden Eingriffe – wie die Entfernung von Schäden, die sich im Laufe der Jahre auf dem Filmstreifen gebildet haben – minimal gehalten und nur auf Extremfälle beschränkt. Für Präsentationszwecke wurden die im Nitrofragment erhaltenen französischen Blitztitel auf Leselänge gestreckt. Alle mit der Restaurierung verbundenen Materialien werden im Österreichischen Filmmuseum aufbewahrt.

 

Der Film lebt von der szenischen Präsenz der Schauspieler – vor allem der Hauptdarstellerin Italia Almirante-Manzini (1890–1941), die zu den bekanntesten italienischen Filmstars der Stummfilmzeit zählte. Obwohl nur wenigen Szenen aus dem Film überliefert sind, fasziniert ihr Gesicht mit der charismatischen Mimik einer echten Diva. Die erhaltene Szene einer Autofahrt beweist die künstlerische Begabung des heute vergessenen Regisseurs Mario Roncoroni. Als Hilfsmittel für die Auffindung und Identifizierung weiterer Materialien zu diesem verschollenen Film wird das restaurierte Fragment online verfügbar gemacht.


In folgenden Text erläutert Paolo Caneppele den Hintergrund der Restaurierung.
 

 

Wieso Zeit und Geld investieren, um ein Fragment von sieben Minuten publik zu machen? Oder: Lob der Synekdoche


Wann kann man sagen, dass ein Film, der als verschollen galt, wiedergefunden wurde? Nur sehr selten findet man einen Film in der Originalfassung, Originallänge und derselben Brillanz, die er am Tag seiner öffentlichen Erstaufführung hatte. Meist hat man eine verkürzte Fassung vor sich, verkürzt um jene Teile, die von der Zensur, der Arbeit der Projektionisten oder der Zeit zerstört wurden. Oft ist es eine synchronisierte Version oder eine mit nicht-originalen Zwischentiteln – oder es liegen einfach nur Teile vor, ein Akt, einzelne Szenen. Manchmal bleibt lediglich ein Fragment von wenigen Minuten, fast nichts im Vergleich zum Original. In anderen Fällen überlebt ein Trailer, der sehr interessant sein kann – aber nur wenig mit dem eigentlichen Film zu tun hat. Und manchmal bleiben nur einzelne Kader. Man hat es mit einem Teil zu tun, der für das Ganze steht: Filmarchivare beschäftigen sich mit Synekdochen.

Wann kann man also sagen, dass ein verschollener Film wiederentdeckt wurde? Die Antwort ist nicht einfach, und nicht alles kann auf Zahlen reduziert werden (nach dem Motto: das Vorliegen von mehr als 50% eines Films bedeutet, das Werk ist wiedergefunden; weniger als die Hälfte bedeutet, ein Teil des Werks ist wiedergefunden; weniger als 20% bedeutet, dass ein Fragment vorliegt). Mit einem Hauch von Fatalismus könnte man auch sagen, dass ein Film nie gefunden werden kann, ganz einfach, weil er nicht in einer Originalfassung existierte, sondern jede Kopie “der Film” war. Dennoch versuchen wir, eine mögliche Antwort zu geben: Finden bedeutet, sich zufrieden zu geben und zu hoffen. Man muss sich zufrieden geben mit einem Trailer, einer Sequenz, einem Fragment von wenigen Metern, in der Hoffnung, dass in Zukunft weitere Teile, weitere Fassungen oder weitere Szenen gefunden und bekannt gegeben werden.

Die Illusion der Vollständigkeit stellt eine ideologische Bürde und ein Hindernis dar. Der Realität (und einem modernen Geschichtsbild) angemessener ist es, die Falten des Fehlenden zu beachten: die Lacunae, die die verschiedenen Fragmente zu einem Film verbinden. Die Suche in diesen Falten ist faszinierend. Was im Dunkel bleibt, verborgen in der Lücke, ist nicht unheimlich. Es ist kein furchtbares, leeres Loch, kein Abgrund, den Zeit oder Menschen gegraben haben. Es ist nicht der Fluch eines verrückten Bösewichts, sondern ermöglicht eine neue Sicht. Manchen Menschen gefällt es, sich an den Rand des Abgrundes zu begeben und in die Tiefe der Jahre zu schauen, auf der Suche nach einer rhetorischen Figur, die Synekdoche heißt.

 

Paolo Caneppele, Österreichisches Filmmuseum

 

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