Golgotha (Das Kreuz von Golgotha)

Julien Duvivier, FR 1936
Drehbuch: Domherr Joseph Reymond, adaptiert von Julien Duvivier; Kamera: Jules Kruger; Schnitt: Marthe Poncin; Musik: Jacques Ibert; Darsteller*innen: Robert Le Vigan, Jean Gabin, Harry Baur, Edwige Feuillère, Charles Granval, Lucas Gridoux. 35mm, sw, 95 min. Französisch mit engl. UT 
 
Der ungewöhnlichste Jesus-Film: vom Palmsonntag zur Wiederaufstehung in knapp anderthalb Stunden, wobei Duvivier die Monumentalität der berühmten Bibelspektakel Hollywoods à la Cecil B. DeMille mit einer Dynamik kurzschließt, die Pasolinis Matthäus-Evangelium um Jahrzehnte vorwegnimmt. Die inszenatorische Handschrift Duviviers zeigt sich dabei zuerst in schlicht atemberaubenden Massenszenen. Anfangs ist das Volk in entrückter Ekstase, während Jesus (Robert Le Vigan) in Jerusalem einzieht, wobei er lange dem Blick verborgen bleibt: Die Kamera teilt seine Perspektive oder setzt ihn in ferne Totalen. Später wird die Menge zum Lynchmob (Vorahnung des düsteren Duvivier-Krimis Panique), um am Kreuzweg zusehends von Reue ergriffen zu werden. Die stilisierten Szenen – unvergesslich: die Kamerakühnheiten bei der Tempelreinigung – wechseln jedoch mit unterspielten Momenten von entwaffnender Einfachheit und Spiritualität. Dennoch betont Duvivier gerade auch die politische Dimension, kulminierend im Gespräch zwischen Jesus und Pontius Pilatus (eigenwillig besetzt mit Jean Gabin). (C.H.)
 
Einführung von Christoph Huber am 23. Mai 2024