L'innocente (Die Unschuld), 1976, Luchino Visconti

L'innocente (Die Unschuld)

Luchino Visconti, IT/FR 1976; Drehbuch: Luchino Visconti, Suso Cecchi D'Amico, Enrico Medioli nach dem Roman von Gabriele D’Annunzio; Kamera: Pasquale De Santis; Schnitt: Ruggero Mastroianni; Musik: Franco Mannino; Darsteller*innen: Giancarlo Giannini, Laura Antonelli, Jennifer O'Neill, Massimo Girotti. 35mm, Farbe, 130 min. Italienisch mit engl. UT
 
Vom Rollstuhl aus inszeniert und doch alles andere als ein Testament. L'innocente kehrt zur meisterlichen Beherrschung des kühl epischen und unerbittlich genauen Realismus zurück. Ein Libertin stellt seine Verachtung der Moral zur Schau, indem er vor den Augen der Welt seine Frau betrügt. Als diese eine Liaison eingeht, sonnt er sich in der Pose des fasziniert Gewährenden, bis die alten Machismo-Muster in ihm erwachen. Visconti verändert das Finale gegenüber der Romanvorlage. Von der Scham verletzter Männlichkeit geplagt, wählt der ernannte Übermensch den Freitod. Der Dünkel seiner Klasse, so Viscontis Kritik am D'Annunzionismus (und dem faschistischen Motto des "gefährlichen Lebens", das sich daraus speist), trägt den Sieg davon. Eine zum Absterben verurteilte Gesellschaft: hinter ihrer Freiheit Dekadenz, hinter ihrer Dekadenz Egoismus, hinter dem Egoismus Lüge, Anmaßung und Selbstmitleid. Kein Abschied. Ein präziser Film voll Grimm und Verachtung. (H.T.)
 
Einführung von Christoph Huber am 18.1.2026
 
Courtesy Cinecittà