Vechnoe Vozvrashchenie (Ewige Rückkehr), 2012, Kira Muratova (Courtesy of Nacionalniy tsentr Aleksandra Dovzhenko)

Kira Muratova
The More Things Change ...

5. bis 20. Dezember 2019
 
Als Kira Muratova im Juni vergangenen Jahres starb, verlor nicht nur ihre Wahlheimat Ukraine ihre bedeutendste Filmemacherin, sondern die Welt eine herausragende Künstlerin. Muratova bewahrte unter verschiedenen politischen Regimen ihre künstlerische Haltung und weigerte sich auch zeit ihres Lebens, ihr ethisches Credo zu verraten. Gerade in der Sowjetunion war dies eine Herausforderung, wie die Filmgeschichte des Landes mit vielen Beispielen zeigt. Doch Muratova setzte – wie Aleksey German und Aleksandr Sokurov – ihre Arbeit unter einer sich verändernden Staatspolitik fort, ohne dabei ihre selbstbestimmte, unabhängige Position aufzugeben. Kira Muratova blieb, mit anderen Worten, jedem System ein Dorn im Auge.

Geboren als Kira Korotkova 1934 im rumänischen Soroca (heute Moldawien) als Tochter einer rumänisch-jüdischen Mutter und eines russischen Vaters – beide treu ergebene Kommunisten –, schloss sie 1959 ihr Regiestudium an der legendären Moskauer Filmschule VGIK ab, dem heutigen Gerasimov Institute of Cinematography, wo sie auch von Sergej Gerasimov persönlich unterrichtet wurde. Ab 1961 arbeitete sie für mehrere Jahrzehnte als Regisseurin im Filmstudio Odessa, dem seit 1919 existierenden, ältesten Filmstudio der Sowjetunion, und realisierte dort die meisten ihrer Filme – obgleich Gerüchte kursieren, dass sie gelegentlich als Putzfrau im Studio arbeiten musste, um ihre künstlerische Arbeit weiterführen zu können.

In diesem männlich dominierten Umfeld war sie dazu angehalten, zunächst zwei Filme mit ihrem damaligen Mann Aleksandr Muratov zu inszenieren. Wiewohl sie sich nie von diesen beiden frühen Werken distanzierte, hielt sie immer daran fest, dass ihr Solodebüt Korotkie vstrechi (1967) als der eigentliche Beginn ihrer Karriere zu gelten habe. Obwohl konventioneller inszeniert als ihre späteren Arbeiten, bewies Muratova bereits in diesem Film, dass sie sich nicht für traditionelle Erzählweisen interessierte, sondern es bevorzugte, mit beinahe surrealistischen Konzepten von Raum und Zeit zu spielen. Gleichzeitig blieb ihr Interesse an Menschen, gefangen in ihren realen Lebensbedingungen, erhalten.

Ein westlicher Blick auf ihr Werk könnte dem Klischee erliegen, dass Muratova mit den "drakonischen Strukturen des sozialistischen Realismus" ihre Schwierigkeiten gehabt habe. Doch gerade ihr Beharren, sich auf das Alltagsleben, häufig in der vernachlässigten Provinz, zu konzentrieren, und dort nach dem Absurden zu suchen, wo andere bloß das Metaphysische fanden, unterschied Muratova deutlich von ihren Zeitgenossen – und bescherte ihr zahlreiche Probleme mit der Zensur. Nach dem Zerfall der Sowjetunion änderte sich in den Filmen von Kira Muratova nicht wirklich etwas, weil sich auch die Beziehungen und grundlegenden Lebensbedingungen der Menschen, wie sie in ihren Filmen auftauchen, nicht wirklich geändert haben – seien es die eines Geologen oder eines Bauarbeiters, einer Haushälterin oder einer unglücklichen Ehefrau, eines Lehrers oder eines Kindes. Kira Muratova hielt weiter zu ihnen und malte bis zuletzt ihr großes, absurdes, polyphones Fresko der Conditio humana. (Jurij Meden)

Die Retrospektive findet in Kooperation mit Ukrainian institute und Oleksandr Dovzhenko National Center statt.

In Anwesenheit von Ivan Kozlenko (Direktor des Oleksandr Dovzhenko National Center), Volodymyr Sheiko (Direktor des Ukrainian institute), Oleg Kohan (Produzent ihrer Filme) sowie der Schauspielerin Natalya Buzko.

Alle Filmkopien Courtesy of Oleksandr Dovzhenko National Center
Zusätzliche Materialien