Day of the Dead, 1985, George A. Romero

Collection on Screen:

Capitalism Sucks. Der Horror des Kapitals

3. September bis 16. Oktober 2023
 
Das Horrorgenre begleitet den Film seit seinen Anfängen, denn es vereint zwei fundamentale Gegensätze: Einerseits wird Grusel erzeugt, andererseits bleibt ein Gefühl von Sicherheit durch Distanz. Das Ergebnis ist ein wohltemperierter Zustand der kontrollierbaren Angst, ohne sich echter Gefahr auszusetzen. Oft spielen die Filme jedoch mit Symboliken echter Gefahr: Wirklichkeit und Fiktion werden so zu einem neuen Stoff verwoben, der auf subversive Art nicht nur bestehende Tabus auslotet, sondern verborgene, sprich verdrängte, sichtbar macht.
 
Gleichzeitig war auch das Wirken von kapitalistischer Ideologie im Horrorfilm immer schon fest verankert, ob als bewusste Kritik oder unbewusst als roter Faden. Das Kapital wird zum Spuk: ein spektrales Ereignis, das zwischen den Bildern/Zeilen stattfindet. Dabei hat es indirekte Auswirkungen auf die Menschen und Monster in Filmen und lässt sogar die Grenze zwischen den beiden Gruppen verschwimmen. Der Horror des Kapitals übersteigt hierbei moralisch verwerfliche Eigenschaften wie Gier und Neid, von denen die Handlungen Einzelner bestimmt sind: Es ist eine Ideologie, die den Menschen unterworfen hat (und aktiv weiterhin unterwirft).
 
So sind die Geister der Bourgeoisie in L'Année dernière à Marienbad (1961) auf ewig dazu verdammt, in einem Kurort ihre letzten Tage als Lebende zu wiederholen, ohne einen Ausweg zu finden: gefangen im immergleichen System. The Wolf Man (1941) nach Curt Siodmak ist weitaus mehr als eine Kinderschreck-Sagengestalt, sondern repräsentierte für den vor den Nazis geflohenen jüdischen Autor und Filmemacher das echte Potenzial der "Bestie Mensch": Der Mensch kann dem Menschen ein (Wer)Wolf sein. Auch die Geschichte und Tragik von The Mummy (1932), angesiedelt im von britischen Truppen besetzten Ägypten des frühen 20. Jahrhunderts, wäre undenkbar ohne kolonialistische Ausbeutungsszenarien kapitalistischer Natur.
 
Der Filmhistoriker Robin Wood (1931–2009) hat Kannibalismus als die ultimative Form des Besitzergreifens im Kapitalismus identifiziert, besonders nachvollziehbar in Zombiefilmen. Regisseure wie George A. Romero haben die gesellschaftlichen Machtverhältnisse (wie in seinem Klassiker Dawn of the Dead, 1978) nicht nur in Einkaufszentren verhandelt. Die Steigerung dieser Symbolik ist der Ouroboros, jene kreisrunde Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt: Sie repräsentiert auch einen monströs gesteigerten Selbstkannibalismus ohne Anfang und Ende, denn aus diesem Konsum kann nichts entstehen. Capitalism Sucks, der Titel dieses Collection on Screen-Moduls, ist nicht nur als doppeldeutige Anspielung auf Vampirismus zu verstehen, sondern soll auch die Kreisläufe des Verschlingens und Verschlungenwerdens im kapitalistischen Produktionssystem beschreiben. (Christopher Gajsek)
Zusätzliche Materialien