Visa de censure n°X (Zensurvisum Nr. X), 1967/75, Pierre Clémenti (Foto: Cinémathèque française)

Pierre Clémenti
Die Revolution ist erst der Anfang

28. bis 30. September 2022
 

Als Schauspieler wurde Pierre Clémenti (1942–1999) durch Luis Buñuels Belle de jour (1967) zur Ikone der Post-Nouvelle-Vague-Ära. Clémentis eifersüchtiger Gangster, der von der Protagonistin (Catherine Deneuve) besessen ist, faszinierte durch die Fusion engelsgleicher Schönheit und abgründiger, eigenwilliger Energie, die zum Markenzeichen seines Ausnahmetalents wurde. Seine oft unkommerzielle, aber ambitionierte Rollenwahl brachte ihn mit vielen Meisterregisseur*innen des Weltkinos zusammen: Luchino Visconti, Bernardo Bertolucci, Philippe Garrel, Liliana Cavani, Jacques Rivette u.v.m.
 
Fast unbekannt ist hingegen Clémentis Karriere als Underground-Filmemacher: Mit der Gage von Belle de jour kaufte er sich eine 16mm-Kamera, die ihn fortan begleitete. Inspiriert durch die Film-Tagebücher von Jonas Mekas, Andy Warhol und Étienne O'Leary schuf Clémenti poetische, psychedelische und persönliche Filme. Den von Rimbaud, dem Surrealismus und den Präraffealiten befeuerten Ethos seines Dandy-Künstler*innenzirkels (dem u. a. auch Garrel, O'Leary, Jean-Pierre Kalfon und Valérie Lagrange angehörten) übersetzte er in visuelle Feuerwerke, während er sein Leben zwischen Filmsets und Familie dokumentierte und die einschneidende Erfahrung eines 18-monatigen Gefängnisaufenthalts in Rom 1972/73 verarbeitete – bis zu seinem einzigen Spielfilm, der Burroughs verwandten Gangster-Dystopie À l'ombre de la canaille bleue (1986).
 
Clémentis erstaunliche Experimentalfilme blieben gegenüber ihren US-Pendants vernachlässigt; sein Sohn Balthazar Clémenti hat sich um ihre Wiederentdeckung und Restaurierung verdient gemacht und ist zu Gast, um das Regiewerk seines Vaters vorzustellen. Als Klammer zeigen wir zwei zentrale Schauspielerarbeiten: Belle de jour und Liliana Cavanis politisch geladene Antigone-Modernisierung I cannbali (1970), deren Wiederentdeckung ebenfalls überfällig ist. (Christoph Huber)
 
In Kooperation mit dem Institut Français de Vienne
Zusätzliche Materialien