John Carpenter
Das Gesamtwerk
Das Gesamtwerk
4. September bis 16. Oktober 2025
Mit John Carpenter (*1948) würdigen wir zum Saisonstart den wohl einflussreichsten lebenden Genreregisseur der USA. Bereits mit seinen ersten billigen Independent-Produktionen fiel der Filmschulabgänger Carpenter in den 1970ern als inszenatorischer Virtuose mit ganz eigener Handschrift auf, sein dritter Spielfilm Halloween (1978) wurde ein Welterfolg, der ihn früh als master of horror etablierte. Diese Bezeichnung wird Carpenters Vielseitigkeit jedoch nicht gerecht, auch wenn er – nicht zuletzt aufgrund seiner ausgeprägten Liebe zur Phantastik – häufig zu diesem Genre zurückkehrte. Doch mit seinem unverwechselbaren Zugang hat sich Carpenter von der Science-Fiction bis zum Actionthriller und sogar mit komödiantischen Zwischenspielen ins Genrekino eingeschrieben, meist begleitet von selbstkomponierten Elektronik-Soundtracks, deren Ohrwurm-Minimalismus ebenso einprägsam wirkt wie die packende Klarheit seiner visuellen Gestaltung.
Trotz gelegentlicher Kompromisse vermochte Carpenter seinen unabhängigen Geist auch in größeren Studioproduktionen zu bewahren, selbst wenn ihm dabei öfter kein kommerzielles Glück beschieden war: Sein Meisterwerk The Thing (1982) galt beim Erscheinen – heute kaum mehr vorstellbar – als Desaster, auch andere damalige Flops wie Big Trouble in Little China (1986) werden längst als Kultklassiker gefeiert. Mit charakteristisch knappem Sarkasmus hat Carpenter sein wechselhaftes Schicksal in Hollywood schön auf den Punkt gebracht: "In Frankreich bin ich ein Auteur. In Deutschland bin ich ein Filmemacher. In Großbritannien bin ich ein Horror-Regisseur. In den USA bin ich ein Sandler."
Carpenters Weltbild drückt sich dabei nicht nur in der besonderen Form, sondern auch in dissidenten Themen aus. Das offensichtlichste Beispiel ist die proletarische Reaganomics-Satire They Live (1988), in der sich die Herrschaft der Yuppies als außerirdische Invasion entpuppt, die von einem Obdachlosen namens Nada, gespielt vom Wrestling-Star Roddy Piper, durchschaut wird. Doch lieber serviert Carpenter seine Gesellschaftskritik in klassischer Genremanier nebenbei, etwa wenn die Rache-Geister von The Fog (1980) die historische Schuld der USA heraufbeschwören. Carpenter: "Wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich ein Telegramm schicken."
In solchen Äußerungen spiegelt sich ein Filmemacher wider, der den Brückenschlag zwischen altem und neuem Hollywood so überzeugend vollzogen hat wie kein anderer. Carpenters überragender Einfluss auf spätere Regiegenerationen liegt vielleicht auch darin begründet, dass er die Lektionen der Meisterregisseure aus der Goldenen Ära der Traumfabrik – sieht man von seiner persönlichen Sensibilität ab – praktisch ungefiltert weitergab. Der New-Hollywood-Aufbruch der Siebzigerjahre verdankte sich dem Einfluss des europäischen Autorenfilms auf die jungen cinephilen US-Filmschaffenden, Martin Scorsese ist das Musterbeispiel. Doch Carpenter blieb ganz in der Tradition eines unprätentiösen US-Genrekinos, das ihn schon als Kind begeistert und zu ersten 8mm-Gehversuchen inspiriert hatte.
Die Ökonomie seines ausgereiften Stils verrät Carpenters spezielles Faible für den Allrounder Howard Hawks, dessen direkter Zugang ihn ebenso ansprach wie die Vorliebe für starke Frauenfiguren. Während Carpenters hinreißendes Hochschulabschluss-Debüt, die Sci-Fi-Satire Dark Star (1974), noch stark von Dan O’Bannon, dem baldigen Co-Autor von Alien, mitgeprägt war, bringt der mitreißende Großstadtkrimi Assault on Precinct 13 (1976) schon sein Kino auf den Punkt, und das nicht nur in der hochpräzisen technischen Umsetzung. Mit seiner Neudeutung des Belagerungsszenarios von Hawks' Westernklassiker Rio Bravo (1959) gestaltet Carpenter die für sein Werk zentrale Konfrontation mit dem absolut Bösen als urbanen Paranoia-Albtraum. Die Gruppe, die sich gegen den anonymen Mob von Gangs verteidigt, ist bezeichnenderweise ethnien- und geschlechterübergreifend. Mit den widerständigen final girls, die Jamie Lee Curtis oder Carpenters zwischenzeitliche Ehefrau Adrienne Barbeau in Halloween und The Fog spielen, wird diese Linie ebenso weitergezogen wie bei Outlaw-Figuren à la Snake Plissken, den Carpenters Lieblingsdarsteller Kurt Russell in Escape from New York (1981) und Escape from L.A. (1996) verkörpert.
Dass Carpenter der wohl schrecklichsten außerirdischen Kino-Invasion (The Thing, ebenfalls eine Hawks-Revision) unmittelbar darauf eine charmante Variante als romantische Komödie (mit Jeff Bridges als Alien in Starman, 1984) folgen ließ, verrät viel über eine Versatilität, die hinter seinem als Markenzeichen etablierten Namen verborgen bleibt. (Auch wenn man bei ihm gleich an Stadtlandschaften denkt, zeigt sich sein großartiges Gespür für Breitwandbilder ebenso im ländlichen Amerika von Starman oder Village of the Damned, 1995.) Obwohl Carpenter seine kraftvolle, geradlinige Art zu erzählen und seine thematischen Interessen stets beibehalten hat, wurden viele seiner späteren Filme zunächst als Enttäuschung gewertet, weil er sich nicht wiederholte – die Fortsetzungen seiner Cashcow Halloween ließ er andere machen. Stattdessen drehte er mit derselben unprätentiösen Meisterschaft wie seine Vorbilder weiter einfach großartiges Genrekino: Ob Triumphe wie In the Mouth of Madness (1994) oder kleine Freuden wie sein spätes Comeback The Ward (2010) – in Carpenters Werk gibt es keinen uninspirierten Film. (Christoph Huber)
Wir zeigen John Carpenters gesamtes Kinowerk auf originalen 35mm-Filmkopien (mit einer Ausnahme), dazu drei herausragende TV-Arbeiten, Musikvideos und einen Kurzfilm.
Einführungen von Christoph Huber, Elisabeth Streit und Neil Young bei ausgewählten Terminen
In Kooperation mit SLASH Filmfestival
Mit John Carpenter (*1948) würdigen wir zum Saisonstart den wohl einflussreichsten lebenden Genreregisseur der USA. Bereits mit seinen ersten billigen Independent-Produktionen fiel der Filmschulabgänger Carpenter in den 1970ern als inszenatorischer Virtuose mit ganz eigener Handschrift auf, sein dritter Spielfilm Halloween (1978) wurde ein Welterfolg, der ihn früh als master of horror etablierte. Diese Bezeichnung wird Carpenters Vielseitigkeit jedoch nicht gerecht, auch wenn er – nicht zuletzt aufgrund seiner ausgeprägten Liebe zur Phantastik – häufig zu diesem Genre zurückkehrte. Doch mit seinem unverwechselbaren Zugang hat sich Carpenter von der Science-Fiction bis zum Actionthriller und sogar mit komödiantischen Zwischenspielen ins Genrekino eingeschrieben, meist begleitet von selbstkomponierten Elektronik-Soundtracks, deren Ohrwurm-Minimalismus ebenso einprägsam wirkt wie die packende Klarheit seiner visuellen Gestaltung.
Trotz gelegentlicher Kompromisse vermochte Carpenter seinen unabhängigen Geist auch in größeren Studioproduktionen zu bewahren, selbst wenn ihm dabei öfter kein kommerzielles Glück beschieden war: Sein Meisterwerk The Thing (1982) galt beim Erscheinen – heute kaum mehr vorstellbar – als Desaster, auch andere damalige Flops wie Big Trouble in Little China (1986) werden längst als Kultklassiker gefeiert. Mit charakteristisch knappem Sarkasmus hat Carpenter sein wechselhaftes Schicksal in Hollywood schön auf den Punkt gebracht: "In Frankreich bin ich ein Auteur. In Deutschland bin ich ein Filmemacher. In Großbritannien bin ich ein Horror-Regisseur. In den USA bin ich ein Sandler."
Carpenters Weltbild drückt sich dabei nicht nur in der besonderen Form, sondern auch in dissidenten Themen aus. Das offensichtlichste Beispiel ist die proletarische Reaganomics-Satire They Live (1988), in der sich die Herrschaft der Yuppies als außerirdische Invasion entpuppt, die von einem Obdachlosen namens Nada, gespielt vom Wrestling-Star Roddy Piper, durchschaut wird. Doch lieber serviert Carpenter seine Gesellschaftskritik in klassischer Genremanier nebenbei, etwa wenn die Rache-Geister von The Fog (1980) die historische Schuld der USA heraufbeschwören. Carpenter: "Wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich ein Telegramm schicken."
In solchen Äußerungen spiegelt sich ein Filmemacher wider, der den Brückenschlag zwischen altem und neuem Hollywood so überzeugend vollzogen hat wie kein anderer. Carpenters überragender Einfluss auf spätere Regiegenerationen liegt vielleicht auch darin begründet, dass er die Lektionen der Meisterregisseure aus der Goldenen Ära der Traumfabrik – sieht man von seiner persönlichen Sensibilität ab – praktisch ungefiltert weitergab. Der New-Hollywood-Aufbruch der Siebzigerjahre verdankte sich dem Einfluss des europäischen Autorenfilms auf die jungen cinephilen US-Filmschaffenden, Martin Scorsese ist das Musterbeispiel. Doch Carpenter blieb ganz in der Tradition eines unprätentiösen US-Genrekinos, das ihn schon als Kind begeistert und zu ersten 8mm-Gehversuchen inspiriert hatte.
Die Ökonomie seines ausgereiften Stils verrät Carpenters spezielles Faible für den Allrounder Howard Hawks, dessen direkter Zugang ihn ebenso ansprach wie die Vorliebe für starke Frauenfiguren. Während Carpenters hinreißendes Hochschulabschluss-Debüt, die Sci-Fi-Satire Dark Star (1974), noch stark von Dan O’Bannon, dem baldigen Co-Autor von Alien, mitgeprägt war, bringt der mitreißende Großstadtkrimi Assault on Precinct 13 (1976) schon sein Kino auf den Punkt, und das nicht nur in der hochpräzisen technischen Umsetzung. Mit seiner Neudeutung des Belagerungsszenarios von Hawks' Westernklassiker Rio Bravo (1959) gestaltet Carpenter die für sein Werk zentrale Konfrontation mit dem absolut Bösen als urbanen Paranoia-Albtraum. Die Gruppe, die sich gegen den anonymen Mob von Gangs verteidigt, ist bezeichnenderweise ethnien- und geschlechterübergreifend. Mit den widerständigen final girls, die Jamie Lee Curtis oder Carpenters zwischenzeitliche Ehefrau Adrienne Barbeau in Halloween und The Fog spielen, wird diese Linie ebenso weitergezogen wie bei Outlaw-Figuren à la Snake Plissken, den Carpenters Lieblingsdarsteller Kurt Russell in Escape from New York (1981) und Escape from L.A. (1996) verkörpert.
Dass Carpenter der wohl schrecklichsten außerirdischen Kino-Invasion (The Thing, ebenfalls eine Hawks-Revision) unmittelbar darauf eine charmante Variante als romantische Komödie (mit Jeff Bridges als Alien in Starman, 1984) folgen ließ, verrät viel über eine Versatilität, die hinter seinem als Markenzeichen etablierten Namen verborgen bleibt. (Auch wenn man bei ihm gleich an Stadtlandschaften denkt, zeigt sich sein großartiges Gespür für Breitwandbilder ebenso im ländlichen Amerika von Starman oder Village of the Damned, 1995.) Obwohl Carpenter seine kraftvolle, geradlinige Art zu erzählen und seine thematischen Interessen stets beibehalten hat, wurden viele seiner späteren Filme zunächst als Enttäuschung gewertet, weil er sich nicht wiederholte – die Fortsetzungen seiner Cashcow Halloween ließ er andere machen. Stattdessen drehte er mit derselben unprätentiösen Meisterschaft wie seine Vorbilder weiter einfach großartiges Genrekino: Ob Triumphe wie In the Mouth of Madness (1994) oder kleine Freuden wie sein spätes Comeback The Ward (2010) – in Carpenters Werk gibt es keinen uninspirierten Film. (Christoph Huber)
Wir zeigen John Carpenters gesamtes Kinowerk auf originalen 35mm-Filmkopien (mit einer Ausnahme), dazu drei herausragende TV-Arbeiten, Musikvideos und einen Kurzfilm.
Einführungen von Christoph Huber, Elisabeth Streit und Neil Young bei ausgewählten Terminen
In Kooperation mit SLASH Filmfestival
Zusätzliche Materialien
Innerhalb der Schau sind die Filme in der Reihenfolge ihrer Programmierung angeordnet.