Schenkung

"Z" wie Zelinka

Eine anonyme Filmsammlung im 9,5mm-Format führt in den Prager Zoo der 1930er Jahre. Titel wie V říši ed. Prof. J. Jandy. Zoologická zahrada (Im Reich des Zoologischen Gartens von Prof. Janda) geben erste wichtige Hinweise auf die Protagonisten dieser privaten Filmsammlung. Tschechische Titelkarten kündigen Makroaufnahmen einer Gottesanbeterin an, führen durch Voliere der Wasservögel im Frühling oder zeigen den hungrigen Ruf eines Zwergflusspferdes. Neben der Tierwelt tritt auch Prof. Jiří Janda, der Gründer des Zoos, vor die Schmalfilmkamera.

Die Filme kamen 2010 durch einen Sammler in das Österreichische Filmmuseum, der keine Informationen zu dieser Filmsammlung übermittelte. Anonyme Filmsammlungen erfordern bei der konservatorischen Aufbereitung und Erschließung besondere Aufmerksamkeit. Ohne Informationen über die Urheberschaft und die Entstehungskontexte sind die einzigen Anhaltspunkte in den Filmen selbst zu finden: Der Buchstabe "Z", grafisch umkreist, ist den Filmen als Titelbild vorangestellt, ein erstes Indiz auf die Autor:innenschaft.

Wer sind Herr und Frau "Z"?
Es treten zwei Autor:innen in Erscheinung. Die beiden Filmamateur:innen filmen sich gegenseitig, zu Hause, bei Wochenendausflügen oder im Prager Zoo. Von den 13 Filmrollen in dieser Sammlung sind acht dem Prager Zoo gewidmet. Eine vertraute Beziehung zum Prager Zoo ist offensichtlich, das zeigt sich auch im Filmtitel Rodina a Zvířata (Familie und Tiere). Das Naheverhältnis der Filmamateurin mit Jiří und Ludmila Janda führte zunächst zu der Annahme, dass es sich um Jiří Jandas Tochter aus erster Ehe, Jarmila Klatovská, handeln könnte. Diese Vermutung wurde mittlerweile durch neu erworbene Fotos von Jarmila Klatovská widerlegt.

Ein Artikel von Miroslav Bobek, dem heutigen Direktor des Prager Zoos, erlaubte einen tieferen Einblick in die Gründungsgeschichte rund um Prof. Janda und gab den Anstoß, Miroslav Bobek zu kontaktieren. Aus der Anfrage um Hilfe bei der Kontextualisierung und Identifizierung des filmenden Paares entwickelte sich ein angeregter Austausch. Die Filmaufnahmen sind für den Prager Zoo von großer Bedeutung. Sie werfen einen einzigartigen Blick auf die Gründungsjahre und sind umso wertvoller, als ein Großteil des Archivs des Prager Zoos bei einer Überschwemmung im Jahr 2002 zerstört wurde.

Zwei Filme aus der Sammlung zeigen militärische Übungen und Waffentests. Der Filmemacher tritt oft in Uniform vor die Kamera, zunächst mit drei, dann mit vier Sternen auf Rockkragen und Tellermütze. Miroslav Bobek konsultierte den Militärhistoriker Eduard Stehlík, der anhand des Kragenspiegels die Uniform dem Justizdienst der tschechoslowakischen Armee im Rang eines Oberstleutnants zuordnete. Trotz intensiver Nachforschung konnte die Identität des Filmamateurs zunächst nicht ermittelt werden.
 
Am 23. Februar 2023 fand im Prager Zoo eine Presseveranstaltung statt, bei der Filme und Filmstills der beiden Filmamateur:innen vorgestellt wurden, um so die Identität von Herrn und Frau "Z" mit Hilfe tschechischer Medien herauszufinden. Die mediale Aufmerksamkeit rund um die Identifizierung der beiden war enorm, Zeitungen, Radio und Fernsehen berichteten über die Suche.
 
Z wie Zelinka
Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz stand Miroslav Bobek bereits in Kontakt mit dem Militärhistorischen Institut und dessen Kurator Milan Hrubý, der eine Namensliste mit dem Dienstgrad des Oberstleutnants übermittelte. Aus dieser Liste von über 50 Namen hob sich ein Name hervor: Josef Zelinka.

Der Buchstabe "Z" war der erste Hinweis, dass es sich beim Filmer um Zelinka handeln könnte. 1937 wurde Zelinka zum Oberst befördert. Dies entspricht der Beobachtung, dass auf der Uniform des Filmemachers erst drei, dann vier Sterne zu sehen sind.

Zwei Tage nach der Pressekonferenz wurde Miroslav Bobeks Vermutung bestätigt: Oberst Zdeněk Horák, Sprengstoffexperte der Polizei, erfuhr über die Medien von dem Aufruf und identifizierte den Filmamateur als Josef Zelinka. Weitere Nachforschungen brachten den Namen der anonymen Filmamateurin ans Licht: Helena Zelinková.

Nach und nach tauchen weitere Informationen rund um die Filmsammlung Zelinka zu Tage. Josef Zelinka wurde 1893 in Prag geboren, er war Leiter der Abteilung für Handfeuerwaffen und Maschinengewehre der 1. Abteilung des Instituts für Militärtechnik und Luft- und Raumfahrt. Über Helena Zelinková ist bisher wenig bekannt.

1948 stirbt Josef Zelinka. In seinem Nachruf werden jene Filme, die im Prager Zoo entstanden sind, erwähnt: "Es würde mich nicht wundern, wenn heute die Tiere im Prager Zoo gemeinsam mit uns um ihren guten Freund trauern würden, und ich glaube, dass die Seelen des Gepards, der Löwin Šárka sowie der Hummel, die er so hingebungsvoll auf einem Kleeblatt gefilmt hat, an der Himmelspforte auf ihn warten."

Wir bedanken uns beim Prager Zoo und insbesondere bei Miroslav Bobek, der die Recherchen rund um die Filmsammlung mit Begeisterung vorangetrieben und den Aufruf zur Identifizierung der beiden Filmamateur:innen in die Wege geleitet hat.
 
Text: Stefanie Zingl
 


Beispiele aus der Sammlung

Weitere Filmausschnitte aus dem Bestand finden Sie auf unserem YouTube-Kanal.
 

 

Při umělém světle (Bei künstlichem Licht)

Josef Zelinka und Helena Zelinková, ČSR [19301938], 9,5mm, 39 min, stumm
Der Film Při umělém světle (Bei künstlichem Licht) verdeutlicht die gemeinsame Filmpraxis des Paares, beide nehmen die Kamera zur Hand: Sie filmen ihre alltäglichen Gesten, sie rasieren und frisieren sich, spielen Schach und Klavier, lesen Zeitung, drehen Zigaretten und machen Turnübungen.
 

 

Z pražské zoo (Prager Zoo)

Josef Zelinka und Helena Zelinková, ČSR [19371938], 9,5mm, 21 min, stumm
Zu Beginn des Films sind Helena Zelinková, Ludmila und Jiří Janda zu sehen, sie befinden sich im Verwaltungsgebäude des Prager Zoos. Josef Zelinka tritt vor die Kamera, auf seiner Tellermütze sind vier Sterne zu sehen. Dies grenzt die Datierung auf 1937 ein, das Jahr, in dem Zelinka befördert wurde, und 1938, das Jahr, in dem Jiří Janda starb.
Josef Zelinka war Mitglied in einem Prager Amateurfilmklub und nahm mit seinen Filmen über den Prager Zoo an Wettbewerben teil. Drei Aufführungen seiner Filme im Pathé Klub konnten bisher nachgewiesen werden.
 

 

Na zahrádce (Im Garten)

Josef Zelinka und Helena Zelinková, ČSR [19331938], 9,5mm, 10 min, stumm
Neben der Hummel, die im Nachruf erwähnt wird, ist Dr. Václav Jan Staněk (1907–1983) zu sehen, Fotograf und Filmemacher. Staněk war interimistischer Direktor des Prager Zoos nach dem Tod von Jiří Janda im Jahr 1938. Der Film ist im frühen Farbfilmverfahren Dufaycolor entstanden, das 1933 auf den Markt kam. Das Linsenrastersystem besteht aus winzigen Farbpunkten, die im Auge der Betrachter:innen verschmelzen, vergleichbar mit dem Pointilismus in der Malerei.
 

Buchhinweis

Abenteuer Alltag. Zur Archäologie des Amateurfilms gibt einen Überblick über archivbasierte Forschungen zum Amateurfilm im europäischen Raum. Ein Aufsatz erhellt den Bereich "Der Amateurfilm und der Zoobesuch".